Inszenierungen

Du hast ein’ roten Mund, Marie

Ensemble Artig
Marienschule Münster



  • magnificat bild 1
  • magnificat Bild 2
  • magnifica Bild 3

Das Ensemble ARTIG holt die „Marie“ aus Büchners Stück da ab, wo sie steht. Nämlich zwischen allen Stühlen. Woyzeck? Tambourmajor? Und was ist mit dem Kind? Und ihrer Zukunft? Die Schülerinnen haben in der unsteten Figur viele Lebenssituationen gefunden, die sich täglich so oder so ähnlich abspielen könnten. All diese Entscheidungen und Kreuzungswege wurden kondensiert und in eine einzige Figur hineinprojiziert. Mit Lust an biografischen Themen finden die Schülerinnen ihre eigene theatrale Sprache.

Mit: Eva Baumeister, Lara Bremann, Eva Deppe, Lea Foitzik, Sarah Frisse, Stella Hanke, Termeh Jenabzadeh, Judith Jung, Elsa Lefering, Alyna Paul, Miriam Pieper, Lena René Radmer, Kristin Redemann, Lea Sollik, Lisa Visentin, Elena Weich, Marie Schulte-Werning, Svenja Wosnig. Beratung Choreographie: Judith Suermann. Beratung Dramaturgie: Johannes Fundermann. Licht: Adrian Kantel, Jan Platzeck. Bühnenbau : Christian Böker. Stagehand: Clara Dressen. Assistenz: Anna-Lena Grabbe. Spielleitung: Christian Reick.

Aufführung: Sonntag 15.6., 14 Uhr im FFT Düsseldorf, Kammerspiele


Begründung der Jury:

„Du hat ein’ roten Mund, Marie“ nimmt die Marie-Figur aus Büchners „Woyzek“ als Ausgangspunkt, Probleme heutiger junger Frauen vielfältig szenisch zu entfalten. Und dies schafft die Inszenierung in beeindruckender Weise.

Klaviermusik. Ein Mädchen sitzt auf der Umrandung eines Sandkastens und philosophiert über die Spannung zwischen Sollen und Wollen.

„Das, was ich will, soll ich nicht. Das, was ich soll, will ich nicht. Soll ich, weil andere es wollen? Will ich, weil ich wollen soll? Muss ich, weil ich will? Und soll ich überhaupt irgendwas wollen? Sollen ist Unterwerfung. Wollen ist Macht. Und Macht will ich haben. Macht soll ich nicht haben. Nicht über mich selbst. Nicht über die Welt.“

Marie hat Träume, Wünsche, Hoffnungen, große Sehnsüchte nach Zukunft und Selbstverwirklichung. Mit viel Musik und Tanz ringen die Münsteranerinnen in kleinen, nicht chronologisch erzählten Episoden um eine Haltung, ringen mit sich und dem Bild, dem die jungen Frauen entsprechen wollen, und finden einfache, aber eindringliche Bilder der Verlorenheit und Hoffnung.

Andere Mädchen kommen hinzu. Suchend. Wonach? Aus dem Off erklingt eine Frauenstimme, die mit weicher Stimme den alten Doors-Song „People are strange“ singt.

People are strange when you're a stranger Faces look ugly when you're alone Women seem wicked when you're unwanted Streets are uneven when you're down

Die Produktion der Marienschule aus Münster ist ein gelungenes Beispiel für eine konsequente und überzeugende Ensemblearbeit. Den sechs klar definierten Sprechrollen werden starke Chorszenen entgegengesetzt. Dieser Chor ist Spielpartner, Kommentator und - dies im doppelten Sinn des Wortes - Projektionsfläche.

Die Inszenierung unternimmt mannigfaltige Versuche, zaghafte Zugriffe, verzweifelte Angriffe auf Marie. Zeigt sie in vielen Entscheidungssituationen. Mal entschlossen, mal hilflos. Aber immer suchend.

Der Diskurs über Marie, den das Münsteraner Ensemble so fesselnd führt, ist auch ein Diskurs des jugendlichen Zuschauers über seine eigene Möglichkeit und Wirklichkeit.